Stefan Löwenhaupt (Stellv. Vorstand der DGCS und Geschäftsführer der xit GmbH) und
Katharina Packmohr (Prokuristin und Consultant xit GmbH)
Die DGCS hat mit der Entwicklung von DGCS-Controlling-Standards einen praxisorientierten Bezugs-rahmen geschaffen, der an die spezifischen Bedarfe einzelner sozialwirtschaftlicher Organisationen angepasst werden kann. Die Controlling-Standards sollen diese in die Lage versetzen, Controlling-Prozesse zu reflektieren, zu analysieren und Aktivitätsmuster sowie Handlungsbedarfe zu identifizieren. Basis der DGCS-Controlling-Standards ist die DIN SPEC 1086:2008, die allgemeinen Anforderungen und Standards für das Controlling normiert. Diese wurden auf die relevanten Spezifika und Besonderheiten der Sozialwirtschaft hin angepasst.
Um die DGCS-Controlling-Standards für die Praxis nutzbar zu machen, wurden diese in ein digitales Check-Instrument übersetzt. Dieser Controlling-Online-Check wurde den DGCS-Mitgliedern und Newsletter-Abonnenten für einen ersten Testlauf zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse dieses Testlaufs, der Mitte des Jahres 2021 durchgeführt wurde, liegen nun vor.
1. Methodik und Instrument
Für den Controlling-Online-Check wurden die 14 übergeordneten DGCS-Controlling-Standards mit Mindeststandards untersetzt. Für jeden Mindeststandard konnte auf einer 5-Punkte-Skala angegeben werden, ob
- ein Standard nicht eingeführt ist,
- ein Standard derzeit eingeführt wird,
- ein Standard eingeführt ist, aber in der Praxis (noch) nicht gelebt wird,
- ein Standard eingeführt ist und in Teilen gelebt wird,
- ein Standard eingeführt ist und intensiv genutzt wird,
- oder ob ein Standard für Sie nicht zutrifft/gilt.
Die Befragung wurde in Kooperation mit der xit GmbH durchgeführt und über das xit-eigene Befragungsportal der xit GmbH organisiert. Die Ergebnisse für die eigene Organisation standen den Teilnehmern unmittelbar nach Beendigung der Befragung als Sofortauswertung (zum Download) zur Verfügung.
Zur Orientierung wurde der Skalenmittelpunkt „Standard eingeführt, aber (noch) nicht gelebt“ als Mindestanforderung bzw. als Erwartungswert gesetzt. Über die Sofortauswertung erfuhren die Teilnehmer, welchen Reifegrad ihr Controlling im Vergleich zu diesem Erwartungswert hat. Eine vergleichende Auswertung der Daten für mehrere Organisationen ist nun nach Abschluss der Erhebung möglich.
2. Ergebnisse des DGCS Controlling-Online-Checks
Insgesamt haben sich an der ersten Runde dieser Onlinebefragung 46 Organisationen beteiligt. Die Zahl der erfassten Fragebögen insgesamt lag zwar höher, im Sinne der Qualitätssicherung wurden für die Auswertung aber nur Fragebogen gewertet, bei denen die Befragung bewusst (per Klick) abgeschlossen und mehr als 10% der Items mit gültigen Werten beantwortet wurden1Auf die Abfrage von Arbeitsfeldern, Mitarbeiterzahl und Umsatzgrößen etc. wurde bewusst verzichtet, um die Teilnahmebereitschaft der Organisationen nicht zu gefährden..
Die gute Nachricht: Im Durchschnitt haben die teilnehmenden Organisationen die definierte Mindestanforderung2Als Mindestanforderung wurde der Skalenpunkt 3 „Standard ist eingeführt, wird aber in der Praxis (noch) nicht gelebt“ definiert. erreicht und weisen einen mittleren Wert von 3,41 auf. Die definierten Standards sind somit in der überwiegenden Zahl der teilnehmenden sozialwirtschaftlichen Organisationen eingeführt und werden dort auch schon mehr oder weniger intensiv praktiziert und gelebt.
Die Detailanalyse zeigt allerdings, dass immerhin 12 Organisationen, also etwas mehr als ein Viertel (26,1 %), über alle 14 Standards hinweg den Erwartungswert („Standard eingeführt, aber in der Praxis (noch) nicht gelebt“) nicht erfüllt haben. Auch im Hinblick auf einzelne Standards finden sich durchaus Unter-schiede im Hinblick auf den Realisierungsgrad. Die nachstehende Abbildung spiegelt die Mittelwerte für die 14 Standards für die teilnehmenden Organisationen wider3Hierfür wurden die Mittelwerte der einzelnen Items eines Standards je Organisation aggregiert und anschließend gemittelt..

2.1. Standards mit guter Performanz: Planung und Reporting
Die große Mehrheit der teilnehmenden Organisationen hat die Standards „Wirtschaftsplanung und Budgetierung“ (Mittelwert 4,32) und „Zielgruppensensibles Reporting“ (Mittelwert 4,27) implementiert.
- Wirtschaftsplanung und Budgetierung sind offensichtlich zentral für die Steuerung sozialer Organisationen: Mehr als 90% der teilnehmenden Organisationen erstellen einen jährlichen Wirtschaftsplan, Gewinn- und Verlustrechnungen, einen Investitionsplan und einen Stellenplan. Eine unterjährige Modellierung des geplanten Wachstums haben 60 % der Organisationen zumindest bereits eingeführt.
- Fast ebenso gute Realisierungsquoten weist der Standard „Zielgruppensensibles Reporting“ auf: Meist mehr als drei Viertel der Organisationen haben differenzierte Aufteilungen der Kosten-stellen, eine differenzierte Darstellung von Primär- und Overheadkosten sowie von Kostenstellen für Gemeinkosten und zudem Forecasts und Soll-Ist-Vergleiche eingeführt.
- Auch der Standard „Verantwortung & Kultur guter Unternehmensführung“ (Mittelwert 3,89, n=43) ist bei vielen Organisationen eingeführt.
2.2. Schwächen in der strategischen und operativen Steuerung sowie in Wirkungsmessung
Im Durchschnitt – über alle Organisationen hinweg – wird bei drei Standards die Mindestanforderung eindeutig nicht erreicht:
Strategische Steuerung (Mittelwert 2,68, n=44) über Zielsysteme
Nur die Hälfte der teilnehmenden Organisationen erreicht die Mindestanforderung beim Thema „Strategische Steuerung“. Die strategische Steuerung erfolgt in den meisten Organisationen zwar über ein Zielsystem, knapp 60% nutzen den Standard in Teilen oder intensiv. Jährliche Umfeld- und Organisationsanalysen werden aber nur von einem Drittel der Organisationen (in Teilen oder intensiv) praktiziert. Die Portfoliotechnik zur Positionsüberprüfung spielt bei der strategischen Steuerung nur eine untergeordnete Rolle4Die Hälfte der teilnehmenden Organisationen hat diesen Standard nicht eingeführt und nur 2% der Organisationen nutzen die Portfoliotechnik intensiv für die Positionsüberprüfung..

Wirkungen spielen im Controlling kaum eine Rolle (Mittelwert 2,39, n=43)
Den mit Abstand geringsten Realisierungsgrad weist das Controlling von Wirkungen sozialer Dienstleistungen auf. 70% der teilnehmenden sozialwirtschaftlichen Organisationen erfüllen hier die Mindestanforderung nicht. Die Messung der Lebensqualitätseffekte sozialer Dienstleistungen, ein zielgruppen-sensibles Wirkungsreporting sowie die Formulierung qualifizierter Erwartungs- oder Prognosewerte im Hinblick auf die fachlichen Wirkungen sind bei den meisten Organisationen kein Thema. Auch die Verknüpfung von monetären und nicht-monetären Wirkungsaspekten ist in 47% der Organisationen nicht eingeführt.
Immerhin bei der „Zielerreichungsmessung“ und dem „Mehrdimensionalen Controlling-Modell“ er-reicht etwa zwei Drittel der Organisationen die Mindestanforderung und hat somit den Standard eingeführt.

Benchmarking: Blick über den Tellerrand nur teilweise Standard (Mittelwert 2,99, n=43)
Mit einem mittleren Wert von 2,99 über alle teilnehmenden Organisationen hinweg verpasst der Standard Benchmarking knapp die Mindestanforderung (Standard eingeführt). Einzelne Aspekte des Benchmarkings – Verfügbarkeit von Benchmarks, Qualifikation Mitarbeiter, systematische Auswertung von Benchmarks, Unterstützung von Entscheidungsprozessen, sind in etwa der Hälfte der teilnehmen-den Organisationen eingeführt und teilweise sogar gelebte Praxis. In 40-50 % der befragten Organisationen sind diese Punkte aber noch kein Standard (24-36%) bzw. werden gerade erst eingeführt.

Operative Steuerung: Personalsteuerung im Blick
Gerade so erreicht wird die Mindestanforderung im Durchschnitt zudem beim Standard „Operative Steuerung der Geschäftsfelder“ (Mittelwert 3,02, n=43). Relativ weit verbreitet (66,7% Standard eingeführt, 64,4% eingeführt und zumindest in Teilen praktiziert) ist hier vor allem der Standard „belegungs-abhängige nettobasierte Personalsteuerung“ im Segment „auslastungsgetriebene Angebote“. Dies unterstreicht noch einmal die Bedeutung der Steuerung von Personalmengen und Personalkosten für die Sozialwirtschaft, in der personale Dienstleistungen dominieren.
Eine „deckungsbeitragsabhängige Belegungssteuerung (37,8% Standard eingeführt) und eine „leistungsabhängige variable Budgetierung der B-Kostenarten“ (27,3 % Standard eingeführt) werden dem-gegenüber deutlich seltener praktiziert. Hier liegt aber auch der der Anteil der „trifft-nicht-zu“-Antworten zwischen 16% und 30%.
Im Segment der ambulanten Angebote liegt der Anteil der „trifft-nicht-zu“-Antworten sogar noch höher (25% bis 41%). Insofern sind die Ergebnisse auf Grund der geringen Fallzahlen, wenn man nur die gültigen Antworten berücksichtigt (ohne „trifft-nicht-zu“-Antworten), hier nicht eindeutig zu interpretieren. Die Mindeststandards sind aber bei 58% („ergebnisorientierte Tourenplanung“) bis 70% (Einsatzquote Nichtfachkräfte (nur Eingliederungshilfe)) erfüllt.

Handlungspotenziale im sozialwirtschaftlichen Controlling
Um noch einmal die Handlungspotenziale im Controlling sozialwirtschaftlicher Organisationen detailliert ermitteln zu können, wurden über die Auswertung jene 10 Einzelitems identifiziert, bei denen 50% oder weniger der teilnehmenden Organisationen den Mindeststandard nicht erreichen. Dabei wurden nur gültige Antworten berücksichtigt.
Neben den bereits oben identifizierten Desideraten beim Thema Wirkung (Lebensqualitätsmessung, qualifizierte Erwartungs- oder Prognosewerte im Hinblick auf Wirkung, zielgruppenspezifisches Wirkungsreporting, Verknüpfung von monetären und nicht-monetären Wirkungen etc.) zeigen sich Ansätze für eine Weiterentwicklung des Controllings auch bei folgenden Items:
- Austarieren der konfligierenden Ziele Rentabilität und Liquidität durch entsprechende Kennzahlen (Liquiditätsmanagement)
- Factoring Ansätze (Liquiditätsmanagement)
- Handlungsfeldspezifischer Risikokatalog (Risikomanagement)
- Deckungsbeitragsabhängige Belegungssteuerung (Operative Steuerung der Geschäftsfelder)
- Leistungsabhängiger variable Budgetierung der B-Kostenarten (Operative Steuerung der Geschäftsfelder).
Die Bedarfe für Controlling-Standards im Bereich Wirkung lassen sich möglicherweise über die Zusammensetzung der teilnehmenden Organisationen erklären: nicht in allen Arbeitsfeldern der Sozialwirtschaft wird dieses Thema unter diesem Label so prominent gespielt, wie in der Eingliederungshilfe. Auch beim Thema Factoring besteht in manchen Arbeitsfeldern hier ein geringer Bedarf (vgl. Anteil „trifft nicht zu“-Antworten). Demgegenüber überrascht, dass jeweils mehr als ein Drittel der befragten Organisationen angaben, dass es bei Ihnen keine „deckungsbeitragsabhängige Belegungssteuerung“ oder „handlungsfeldspezifische Risikokataloge“ gibt. In nahezu allen relevanten Angebotsbereichen der Alten- und Behindertenhilfe sind diese Punkte für die Unternehmenssteuerung von Bedeutung.
Eine mögliche Erklärung für diesen empirischen Befund ist möglicherweise, dass das Wissen um die Zusammenhänge von z.B. Belegung und Deckungsbeiträgen nicht in formalisierten Standards, sondern in den handelnden Personen gespeichert sind. Ähnliches gilt u.U. auch für das Item „Austarieren der konfligierenden Ziele Rentabilität und Liquidität durch entsprechende Kennzahlen“.
10 Items bei denen 50% oder weniger den Mindeststandard nicht erreichen (nur gültige Antworten)

3. Fazit und Ausblick
Dieser erste Testlauf ist auf Grunde der Fallzahlen und der Tatsache, dass die Zusammensetzung der teilnehmenden Organisationen nicht die ganze Bandbreite der Sozialwirtschaft widerspiegelt in seiner Aussagekraft limitiert. In den groben Linien bestätigen die Ergebnisse aber die in der Praxis „gefühlte“ Wirklichkeit: Wirtschaftsplanung und Reporting haben sich als Standards durchgesetzt, in der operativen und strategischen Steuerung und in der Wirkungsmessung gibt es dagegen im Hinblick auf Standards noch Desiderate, die z.T. über professionelles Erfahrungswissen gefüllt werden können, z.T. fehlen hier aber auch noch die Instrumente und das Know-how.
Dies ist Ansporn, weiter an den DGCS-Controlling-Standards zu arbeiten und diese im nächsten Jahr auf die einzelnen Arbeitsfelder und Themen herunterzubrechen. Zudem gilt es den Controlling-Online-Check noch einmal punktuell zu schärfen.