Stefan Löwenhaupt, Geschäftsführer und Gesellschafter der xit GmbH,
Mitglied des Bundesvorstands der DGCS e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für Management und Controlling in der Sozialwirtschaft e. V. (DGCS) hat 2019 einheitliche Controlling-Standards vorgelegt, die als Orientierungshilfe, Leitlinie und Prüfkriterien für das unternehmenseigene Controlling dienen sollen. Damit wurde – unter Beteiligung von Wissenschaftlern, Praktikern, Verbänden und Dienstleistern – ein praxisnaher Bezugsrahmen geschaffen, der sich an die Bedürfnisse und Rahmenbedingungen einzelner sozialwirtschaftlicher Organisationen anpassen lässt. Allerdings weist dieser Leitfaden derzeit noch ein Desiderat auf: das Controlling des Nachhaltigkeitsmanagements.
Worum geht es dabei? Mit Nachhaltigkeitsmanagement werden Aktivitäten einer Organisation bezeichnet, die auf eine umfassende nachhaltige Entwicklung aller sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Belange, nicht nur der eigenen Organisation, sondern auch von Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt abzielen.
Das Nachhaltigkeitscontrolling unterstützt diesen Prozess mit Hilfe von Mess- und Steuerungsansätzen zur Reduzierung negativer Nachhaltigkeitswirkungen und zur Schaffung von Nachhaltigkeitsleistungen. Soziale Organisationen sind in dieser Perspektive nicht schon deshalb sozial nachhaltig, weil Sie soziale Zwecke verfolgen. Vielmehr müssen auch soziale Organisationen prüfen, inwieweit das Verhalten der Mitarbeitenden, Investitionen (z.B. in Immobilien) oder der Einkauf von Waren (z.B. Lebensmittel) ökologischen und sozialen Standards genügt. Da soziale Organisationen dabei öffentliche Mittel einsetzen, erfordern Entscheidungen, die soziale und ökologische Belange tangieren, besondere Aufmerksamkeit.
1. Nachhaltigkeitsmanagement erfährt Bedeutungszuwachs
Das Thema Nachhaltigkeitsmanagement hat in den letzten Jahren insgesamt, speziell aber auch in der Sozialwirtschaft in Deutschland verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Dieser Bedeutungszuwachs speist sich aus mehreren Quellen: Zum einen sind die empirischen Evidenzen für Klimaveränderungen, die weltweite und sektorenübergreifende Anstrengungen zur Vermeidung/Begrenzung von deren Folgen erfordern, überwältigend. Zum anderen werden viele Produkte, die wir in einer globalisierten Ökonomie produzieren, handeln und kaufen unter Rahmenbedingungen hergestellt, die mit Umweltzerstörungen, problematischen Arbeitsverhältnissen und Gesundheitsgefährdungen einhergehen. Umfragen belegen zudem, dass die Bevölkerung in Deutschland im Umwelt- und Klimaschutz eine sehr wichtige Herausforderung sieht (2019: 68 % Zustimmung; Forsa-Umfrage unter 2000 Befragten) und über 90 Prozent einen schonenden Ressourcenverbrauch, Generationengerechtigkeit und fairen Handel zwischen reichen und armen Ländern befürworten1https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltige-entwicklung/verbraucherinnen-und-verbraucher-418820.
Diese Entwicklungen und Befunde haben ihren Niederschlag in zahlreichen internationalen Abkommen und Verträgen2z.B. die Agenda 2030 der UN, mit Ihren 17 Sustainable Development Goals (SDGs), das Pariser Klimaschutzab-kommen, Energieeffizienzrichtlinie 2012/27/EU, nationalen Gesetzen3z.B. § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG, das Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften dazu verpflichtet, die Vergütungs-struktur für den Vorstand auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ auszurichten; nochmals präziser jetzt das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) und der am 20. März 2020 im BGBl. veröffentlichte Deutsche Corporate Governance Kodex( DCGK), Gesetz über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) sowie mehr oder weniger verbindlichen Leitfäden und Standards4z.B. DNK, GRI, EMAS, ISO 26000 gefunden.
2. Der Nachhaltigkeitshebel der Sozialwirtschaft
Gerade für Organisationen in der Sozialwirtschaft, die ihren Auftrag häufig aus einer religiösen oder humanistischen/ethischen Weltanschauung ableiten, ist die Frage eines nachhaltigen Managements der Ressourcen ein zentraler Aspekt. Aus diesem Grund verpflichten sich viele Sozialdienstleister bzw. deren Verbände zu nachhaltigem Handeln in Leitbildern, Leitfäden, Standards, Empfehlungen und Erklärungen5vgl. z.B. die Umwelterklärung Diakonie Deutschland, der Vorstand des Deutschen Caritasverbandes hat die bun-desweite Förderung einer nachhaltigen ökologischen Unternehmenspolitik bei den Diensten und Einrichtungen der Caritas in seine strategischen Ziele aufgenommen. . Zudem ist die Sozialwirtschaft (mit rund ca. 100 Mrd. € Umsatz6Berücksichtigt sind hier nur Dienstleistungen aus den SGB II, III, V (Pflege), IX, XI und XII; ohne bürgerschaftliches Engagement für soziale oder ökologische Zwecke, Investitionen in Immobilen und grauer Pflegemarkt) im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit ein zentraler Akteur, wie ein Blick auf Strukturen und Volumina verdeutlicht:
- In Deutschland gibt es 12.000 Altenpflegeheime und ca. 15.000 ambulante Pflegedienste. In stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe gibt es ca. 200.000 Plätze für Menschen mit Behinderung (zudem Wohnanlagen mit ambulanter Versorgung).
- Die 700 Werkstätten für behinderte Menschen unterhalten ca. 2.000 Werkstattgebäude, in denen typischerweise Holzwerkstätten, Metallverarbeitung, Wäschereien etc. und Zuliefereinheiten für die Industrie zu finden sind. Zudem gibt es ca. 900 Integrationsfirmen, die Hotels, Wäschereien, Gastronomiebetriebe, Reinigungsdienste, Fahrradwerkstätten und Parkhäuser etc. betreiben.
- In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es rund 55.000 Kindertageseinrichtungen, einige tausend sozialtherapeutische Wohneinrichtungen mit über 40.000 Plätzen. Zusätzlich sind Erziehungsberatungsstellen, Ausbildungseinrichtungen für Jugendliche mit Handicaps und Freizeiteinrichtungen vorhanden.
- Die Verbände der Wohlfahrtspflege betreiben weiterhin Fachschulen für Altenpflege, Heilerziehungspflege, Logopädie etc., Fortbildungshäuser und unterhalten Verwaltungsgebäude, Landes- und Bundeszentralen.
- Größere sozialwirtschaftliche Unternehmen haben auch Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Mutter-Kind-Erholungseinrichtungen in ihrem Portfolio, einige wenige Organisationen betreiben eigene Hochschulen mit entsprechenden Gebäuden.
- Zunehmende Bedeutung erlangen Wohnformen für Menschen mit besonderem Hilfebedarf: Flüchtlingswohnheime, Frauenhäuser, Wohnstätten für wohnsitzlose Menschen.
Für soziale Dienstleistungen müssen deshalb tausende von Immobilien gebaut, gewartet, geheizt und gereinigt werden. Für die Verpflegung, Betreuung, Pflege und Förderung von Menschen entsteht Nachfrage nach Lebensmitteln, Investitionsgütern (Einrichtung, Ausstattung) und Waren (Lebensmittel, Kleidung, Reinigungsmittel), die im Idealfall unter ökologischen Bedingungen hergestellt, umweltneutral in ihren Wirkungen und fair gehandelt sind. Die Sozialwirtschaft insgesamt unterhält vermutlich eine der größten Fahrzeugflotten in Deutschland und verbraucht große Mengen von Hygieneartikeln (Windeln etc.). Außerdem sind in diesem Sektor ca. 1,7 Mio. Mitarbeitende7https://www.socialnet.de/international/de/deutschland.html beschäftigt, die selbst wiederum Nachfrage nach (nachhaltigen) Waren und Gütern generieren. Der Hebel der Sozialwirtschaft für das dThema Nachhaltigkeit insgesamt ist also gewaltig.
3. Herausforderungen für das Nachhaltigkeitscontrolling
Wenngleich die Sozialwirtschaft ein wichtiger Player beim Thema Nachhaltigkeit sein könnte und viele Organisationen sich inzwischen auch auf den Weg begeben haben, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten z.B. den Einkauf auf nachhaltige Produkte umzustellen, den Energie- und Wasserverbrauch und die Produktion von Abfall zu senken, wird dieses Potenzial aus unterschiedlichen Gründen noch nicht voll genutzt.
Es fehlt – trotz aller Fortschritte und öffentlicher Aufmerksamkeit für das Thema – noch häufig an Know-how und einfach handhabbaren Instrumentarien in sozialen Organisationen, um Nachhaltigkeit im Unternehmen systematisch planen, messen und controllen zu können.
Ein wesentliches Problem stellt zudem die Datenbasis dar. Nachhaltigkeitscontrolling scheitert häufig bereits an der Verfügbarkeit relevanter Daten, weil z.B. Wasser-, Strom- oder Gaszähler für einzelne Gebäude fehlen, so dass die Effekte einzelner Steuerungsmaßnahmen nicht präzise zu ermitteln sind. Smart metering ist hier eher Wunsch als gelebte Wirklichkeit, was etwa bei der Trennung der existenzsichernden von den Fachleistungen im Kontext der BTHG-Implementation noch einmal eindrücklich sichtbar wurde.
Nachhaltigkeit bedeutet immer Investition, entweder in Verhaltensänderung oder in Güter, Immobilien etc. Dort, wo diese Investitionen überschaubar und die Benefits erkennbar sind, fällt diese Investition leicht. Bei großen Investitionen in Immobilien oder Fahrzeugflotten etc. fehlt dagegen häufig ein entsprechender Return of Investment bzw. es profitieren möglicherweise Dritte von einer Investition (z.B. die Gesellschaft, die Allgemeinheit, die Umwelt etc.). Die Förderregularien für Sozialimmobilien erlauben zumeist gerade die Refinanzierung gesetzlicher Mindestanforderungen, darüber hinaus gehende Initiative ist Sache sozialer Dienstleister8Vereinzelt gibt es hier inzwischen Förderprogramme, wie z.B. „Sozial & Mobil“ des Bundesumweltminis-teriums. Bis Ende 2022 stehen insgesamt 200 Millionen Euro für Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen, die ihre Fahrzeugflotte auf Batterie-elektrische Neufahrzeuge umrüsten möchten., die aus dem operativen Geschäft heraus oder aber aus Spendenmitteln, sonstigen Zuschüssen zu finanzieren sind. Über eine gezielte Förderung, z.B. über das Steuerrecht und die Abgabenordnung oder spezielle Förderprogramme ließen sich gesamtgesellschaftliche politische Ziele leichter erreichen.
Dies führt insgesamt dazu, dass ein Strukturwandel hin zum nachhaltigen Wirtschaften in der Sozialbranche nur langsam vorangeht.
4. Ansätze zum Nachhaltigkeitscontrolling
Inzwischen finden sich auch einige Leitfäden und Konzepte, die Organisationen dabei unterstützen sollen, allgemeine politisch-programmatische Ziel- und Absichtserklärungen so zu operationalisieren, dass ein Controlling des Nachhaltigkeitsmanagements möglich wird. Einige der wichtigsten Ansätze, die unterschiedliche Zugänge zum Thema repräsentieren, werden im Folgenden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) vorgestellt.
a) 3-Säulen-Modell
Konzeptionelle Grundlage der meisten Konzepte ist das sog. 3-Säulen-Modell9Vgl. hierzu Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen, Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“, das die gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzung von umweltbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen postuliert. Nur so könne die ökologische, ökonomische und soziale Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft insgesamt sowie von einzelnen Organisationen sichergestellt und verbessert werden. Das 3-Säulen-Modell ist zwar heuristisch hilfreich und nachvollziehbar, es liefert allerdings (so auch die Kritik) kaum operationalisierbare Zielvorgaben oder für das Controlling konkret nutzbare Kennzahlen.
b) Gemeinwohlbilanz
Ansätze, wie z.B. das Konzept der Gemeinwohlbilanz, brechen einzelne Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements weiter herunter und verweisen auf eine Vielzahl von möglichen Indikatoren, um die im Kontext des Konzepts relevanten 5 Teildimensionen Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung & Transparenz im Hinblick auf verschiedene „Berührungsgruppen“ (z.B. Lieferanten, Geldgeber, Mitarbeiter, Kunden, Produkte/ Dienstleistungen, gesellschaftliches Umfeld) zu bewerten.
Allerdings operiert dieses Konzept bei der „Bilanzierung“ der Effekte des Nachhaltigkeitsmanagements mit Hilfe von – möglichst empirisch abgesicherten – Selbsteinschätzungen (auf einer Skala von 1-10), wobei einzelne Bewertungskriterien zusätzlich gewichtet werden können. Für die Bewertung werden umfassende Informationsmaterialien mit Erläuterungen und Beispielen zur Verfügung gestellt.
Spezifisch ist, dass die Gemeinwohlbilanz nicht nur positive Bewertungskriterien umfasst, für die mehr oder weniger Punkte zu erzielen sind, sondern auch explizite Negativkriterien, die zu Minuspunkten führen. Durch die Kategorien „Menschenwürde“ und „Solidarität“ weist das Konzept (zumindest im Vergleich zu anderen) eine hohe normative Ladung auf. Für einen ersten Einstieg in die Thematik und die Kommunikation bildet das Konzept aber einen sinnvollen Rahmen.
c) Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)
Außerhalb der Sozialwirtschaft kommt im Bereich von Industrie, Dienstleistung und Handel dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK)10https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/ eine besondere Bedeutung zu. Ähnlich wie die Gemeinwohlbilanz bietet auch der DNK einen Rahmen zur Berichterstattung von unternehmerischen Nachhaltigkeitsleistungen, der auf einer Selbstbeschreibung und -einschätzung beruht. Er kann von Organisationen und Unternehmen jeder Größe und Rechtsform kostenlos genutzt werden. Dazu muss die Organisation eine DNK-Erklärung abgeben.
Die Berichtsstandards, die wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte systematisch erfassen, werden mit den 20 DNK-Kriterien umgesetzt. Dazu zählen beispielsweise Strategie, Wesentlichkeit, Verantwortung, Ressourcenmanagement, Chancengerechtigkeit, Anreizsysteme, Ziele und klimarelevante Emissionen. Die inhaltliche Spezifizierung jedes Kriteriums wird mit einer vordefinierten Checkliste und ausgewählten quantifizierbaren Leistungsindikatoren gerahmt.
Die Kohärenz und Anschlussfähigkeit dieser standardisierten Berichterstattung schafft Transparenz und Vergleichbarkeit. Dazu werden die gesammelten Informationen in die DNK-Datenbank geladen, durch das DNK-Büro auf Vollständigkeit geprüft und anschließend veröffentlicht. Dadurch kann der eigene Bericht mit den bereits erfassten Daten von 600 Organisationen verglichen werden. Darüber hinaus kann die Erklärung vielfältig genutzt werden, zum Beispiel für die Unternehmenskommunikation, Pressemitteilungen oder einen Nachhaltigkeitsbericht. Der Deutsche Caritasverband hat z.B. für das Berichtsjahr 2019 einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt, der sich am DNK orientiert (eingebettet in das Konzept der Corporate Social Reponsibility).
d) Sustainability Balanced Score Card
Näher am klassischen Controlling ist der Ansatz der Sustainability Balanced Scorecard (SBSC)11Vgl. hierzu auch die Ausführungen unter https://www.controlling-wiki.com/de/index.php/Nachhaltigkeitscontrolling, der eine Erweiterung des ursprünglichen BSC-Ansatzes von Kaplan & Norton (1992) darstellt. Ziel des Nachhaltigkeitscontrollings ist hier nicht nur die Steuerung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte in der Organisation. Vielmehr soll – in einem erweiterten Controlling Verständnis – ein relevanter Beitrag des Unternehmens zu einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sichergestellt werden. Dabei lassen sich fünf Handlungs- und Steuerungsperspektiven unterscheiden, denen Mission und Vision der Organisation (quasi als innerer Kompass) vorgestellt sind:
- Finanzperspektive: Kosten, Erträge und Risiken, die aus Aktivitäten – inklusive sozial und ökologisch relevanter Handlungen – resultieren.
- Marktperspektive: Preise, Kundentreue und Umsatz, inklusive sozial und ökologisch relevanter Produkte und Dienstleistungen.
- Prozessperspektive: Leistungserstellungsprozesse von der Innovation über den Einkauf bis zur Produktion und dem Vertrieb unter Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Wirkungen.
- Lernperspektive: Know-how, Arbeitszufriedenheit, Arbeitgeberattraktivität und die Motivation von Mitarbeitenden.
- Außermarktliche Perspektive: Wirkungen sozialer und ökologischer Aspekte auf Reputation, Legitimität und intangible Werte des Unternehmens.
Diese fünf Perspektiven der SBSC bilden die Steuerungsfelder des Nachhaltigkeitscontrollings und sollen dazu dienen, die soziale Verflechtung des Unternehmens mit dem gesellschaftlichen Umfeld systematisch zu koppeln. Ziel ist es, die fünf SBSC-Perspektiven über Indikatoren und Kausalbeziehungen zu verbinden: Wie wirkt sich z.B. die Investition in die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte auf die Finanzen, die Kunden, die internen Prozesse und die Außenperspektive der Organisation aus? Damit werden soziale und ökologische Ziele immer wieder auch mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rückgekoppelt.
Über die systematische Verknüpfung von Perspektiven und Indikatoren entsteht letztlich eine Strategiekarte, die nachvollziehbar macht, wie die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsstrategie in die Kernaktivitäten des Unternehmens heruntergebrochen werden. Die Nachhaltigkeitsindikatoren der fünf Perspektiven bilden die Grundlage für das strategische und das operative Nachhaltigkeitscontrolling, das daraus abgeleitete Messsystem und das Nachhaltigkeitsrechnungswesen. So können die klassischen Steuerungsgrößen sukzessive mit den nachhaltigkeitsspezifischen ökonomischen, sozialen und ökologischen verknüpft werden. Der Charme dieses Konzepts liegt in der Nüchternheit der Perspektiven und deren Nähe zu klassischen Steuerungsgrößen des Unternehmens. Darüber hinaus ist das Konzept einfach auf soziale Dienstleister adaptierbar, weil das Konzept der BSC hier bekannt, weit verbreitet und akzeptiert ist.
e) Sustainable Return of Invest (SROI 7)
Das Konzept des Social Return of Investment lässt sich ebenfalls um die Perspektive der Nachhaltigkeit erweitern, quasi zum Sustainable Return of Investment (SROI 7). Sustainability umfasst dabei alle impacts, effects und outcomes, die durch Investitionen in ökologische, gesundheitsbezogene und soziale Nachhaltigkeit evoziert werden.
Im Mittelpunkt steht hier also die Frage, welche Wirkungen eine Investition in Nachhaltigkeit für verschiedene Stakeholder hat: den Finanzierungsträger, die Leistungsberechtigten, die soziale Organisation, die Region oder Gesellschaft insgesamt. Bei dieser Betrachtung besonders interessant sind vier Aspekte:
- Mit diesem Verfahren werden immer (direkte und indirekte) Netto-Kosten bzw. Netto-Erträge ermittelt, Investitionen und Erträge werden also saldiert. Damit ist erkennbar, welcher Hebel mit einer Investition verbunden sind (1 € Investition : X € Return of Investment). Auf der Basis dieser Information kann geklärt werden, welche Deckungslücke entsteht. Anschließend kann mit Kostenträgern, Fördermittelgebern oder Spendern diskutiert werden, wie diese Lücke zu schließen ist (z.B. durch die Klienten?). Des Weiteren können auch alternative Investitionsmöglichkeiten auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet werden.
- Mit Hilfe des SROI 7 werden darüber hinaus Mittelströme transparent gemacht: Wer profitiert z.B. von einer Investition in soziale oder ökologische Nachhaltigkeit: die Zielgruppe, die Organisation, deren Mitarbeitende, Landwirte in Lateinamerika oder die lokale Wirtschaft, der Finanzminister oder Parafisci? Diese Daten können z.B. Grundlage für einen rationalen politischen Diskurs zur Frage der Förderung von Maßnahmen der Nachhaltigkeit sein.
- Zudem lassen sich mit dem SROI 7 Opportunitätskosten und -erträge ermitteln, d.h. es wird bilanziert, welche Effekte zu erwarten sind, wenn eine Investition in soziale oder ökologische Nachhaltigkeit unterbleibt und deshalb Ziele aus internationalen Verträgen oder nationalen Programmen nicht erreicht werden können.
- Ebenfalls darstellbar sind die objektiven fachlichen und subjektiven Wirkungen von Investitionen in Nachhaltigkeit, im Sinne von Gesundheit, Lebensqualität, Sozialklima, Motivation, Teilhabe, Attraktivität im Wettbewerb etc.
Auf der Basis der bilanzierten Kosten und Erträge von Investitionen lässt sich auch klären, über welchen Zeitraum ein Return of Investment zu erwarten ist. Im Bereich von ökologischen und sozialen Investitionen liegt dieser Return häufig jenseits einer jährlichen Betrachtung von Haushalten und Bilanzen.
5. Fazit
Das Thema Nachhaltigkeit ist für soziale Dienstleister relevant, es ist in der Sozialwirtschaft angekommen und es gibt inzwischen auch einige Ansätze, um das Nachhaltigkeitsmanage-ment in das Berichtswesen von sozialen Organisationen zu integrieren. Zudem wurde das Thema Nachhaltigkeit auf die Ebene eines strategischen Ziels von Dachverbänden sozialer Organisationen gehoben (z.B. von Diakonie und Caritas).
Entwicklungsbedarf gibt es allerdings im Hinblick auf das fachliche Know-how, verfügbare Instrumente und den Zugang zu Daten. Außerdem fehlen noch Standards für ein systematisches Controlling der Effekte des Nachhaltigkeitsmanagements. Eine weitere Beschäftigung der DGCS mit diesem Thema ist somit geboten.